Therapie der männlichen Fruchtbarkeitsstörung mit Antioxidantien

Im Artikel „The role of antioxidant therapy in the treatment of male infertility“(1), der im Dezember 2010 in der Zeitschrift „Human Fertility“ veröffentlicht wurde, beschäftigten sich die Autoren mit der Studienlage zur Therapie der männlichen Fertilitätsstörung mit Antioxidantien. Mein vorliegender Beitrag gibt einen kurzen Überblick über diejenigen Antioxidantien, deren Wirkung auf die männliche Fertilität in verschiedenen Studien in den letzten Jahren untersucht wurden sowie meine Beurteilung der vorliegenden Studienergebnisse für die Therapie.

Von Infertilität spricht man, wenn bei regelmäßigem, ungeschützten Verkehr innerhalb eines Jahres keine Schwangerschaft eingetreten ist“ (2). Fruchtbarkeitsstörungen (Infertilität) betreffen ca. 15% aller Paare. In 39% der Fälle liegt die Störung bei der Frau, in 20% der Fälle beim Mann, in 26% der Fälle liegen Störungen bei Mann und Frau vor und in 15% der Fälle ist keine Störung erkennbar (2)

Freie Radikale können bei der Pathogenese (Entstehung) der männlichen Infertilität eine Rolle spielen. Unter freien Radikalen versteht man Moleküle, die ein oder mehrere ungepaarte Elektrone besitzen und mit Ihrer Umgebung sehr leicht reagieren können. In der Samenflüssigkeit treten in niedrigen Dosen die freien Radikale: Hyperoxidanionen ( O2-), Hydroxy-Radial (OH–Radikal) und Wasserstoffperoxid (H2O2) auf. Diese werden auch unter dem Begriff der reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS: reactive oxygen species) zusammengefasst. Die ROS werden in geringen Mengen von Leukozyten und Spermien gebildet und sind für einige physiologische Abläufe wie der Reifung der Spermien und der Befruchtung notwendig (Akrosomenreaktion, Spermien Kapazipation und Verschmelzung von Sperma und Eizelle).

Übersteigt nun die Menge der ROS das physiologische Ausmaß, kommt es zu oxidativem Stress. Oxidativer Stress führt zu Zellschäden. In der Samenflüssigkeit führt erhöhter oxidativer Stress zu einer Abnahme der Spermienkonzentration und der Beweglichkeit der Spermien (3,4,5,6). Außerdem kann es unter oxidativem Stress zu DNA-Veränderungen in den Spermien (Brüche im DNA Strang) kommen. Es gibt auch Hinweise, dass freie Radikale die Apopthose der Zellen, d.h. den programmierten Zelltod, unterstützen (7).

Gegen oxidativen Stress wirken Antioxidantien. Es handelt sich dabei um chemische Verbindungen, die ein Elektron abgeben können und damit die Freien Radikale neutralisieren können. Im Folgenden werden die Antioxidantien aufgeführt, deren Effekt auf die Qualität der Spermien in verschiedenen Studien untersucht wurde.

1. Carnithin
Carnitin ist ein wasserlösliches Antioxidans. Es spielt eine Rolle bei der Beweglichkeit und Energiegewinnung der Spermien, indem es die zelluläre Energie in den Mitochondrien der Spermien vergrößert (8). Während der Passage der Spermien durch den Nebenhoden können vermehrt L-Carnithin und L-Acetyl-Carnithin in den Spermien nachgewiesen werden. Studien konnten nachweisen, dass durch die regelmäßige Einnahme von Carnithin eine gesteigerte Beweglichkeit der Spermien erzielt werden konnte (9). Vor allem bei Patienten, deren Spermien eine unzureichende Beweglichkeit aufwiesen, konnte eine signifikanten Verbesserung nachgewiesen werden (10).

2. Vitamin E
Vitamin E ist ein fettlösliches Antioxidans in der Zellmembran. Es wird vermutet, dass es die Zellmembran schützt. Eine neuere Studie aus dem Jahr 2010 (9) konnte zeigen, dass infertile Männer mit hohen ROS-Spiegeln in der Samenflüssigkeit von der Einnahme von Vitamin E profitierten.

3. Vitamin C
Vitamin C ist ein wasserlösliches Antioxidans. Die Konzentration von Vitamin C in der Samenflüssigkeit ist 10 mal höher als im Blut. Vitamin E schützt die Spermien gegen freie Radikale. Der Effekt von Vitamin C ist wahrscheinlich konzentrationsabhängig. So hat bis zu einer Konzentration von 1000µg/l im Sperma Vitamin C einen positiven Einfluss auf die Beweglichkeit der Spermien, bei höheren Konzentrationen nimmt die Beweglichkeit der Spermien ab (11).

Die Kombination von Vitamin E und C wurde in verschiedenen Studien untersucht. In einer neueren Studie (12) wurde nachgewiesen, dass die DNA-Schäden in den Spermien reduziert werden konnten.

4. Selen
Selen ist für die normale Entwicklung des Hodens, der Spermatogenese, die Beweglichkeit der Spermien und deren Funktion wichtig (13). Selenmangel führt zur Abnahme der Beweglichkeit und zu Veränderungen der Spermien (14).

Eine neure Studie (15) konnte zeigen, dass die Kombination von Vitamin E und Selen zu einer verbesserten Beweglichkeit der Spermien führte.

5. Carotenoide
Carotenoide wirken synergistisch mit Vitamin E und Selen. In einer Doppelblind- Studie konnte mit der Einnahme des Carotenoids Astaxanthin versus Placebo gezeigt werden, dass die Rate der Schwangerschaften unter Anwendung von Astaxanthin signifikant gesteigert werden konnte (16).

Ein weiteres Carotenoid ist Lycopen, welches in hoher Konzentration in den Hoden und der Spermaflüssigkeit vorkommt. Eine Studie von Gupta und Kumar (17) konnte zeigen, dass die regelmäßige Einnahme von Lycopen zu einer Besserung der Spermienkonzentration und verbesserten Beweglichkeit der Spermien führte.

6. Gluthation und N-Acetyl Cystein
Gluthation schützt Proteine, Fette und Nucleinsäuren vor oxidativen Schäden. In einer Studie konnte durch die Applikation von Gluthation die Beweglichkeit der Spemien verbessert werden (18).

N-Acetyl – Cystein (NAC) verbessert die Konzentration der Spermien und der Akrosomenreaktin (19). 2009 wurde über eine verbesserte Konzentration der Spermien durch Gabe von NAC in Kombination mit Selen berichtet (20).

7. Pentoxifyllin
Pentoxifyllin – ein Phosphodiestrase Inhibitor – reduziert das ROS und schützt in vitro die Beweglichkeit der Spermien und in vivo die Parameter des Samen (21)

8. Zink
Das Spurenelement Zink hat im Bezug auf die Funktionalität der Spermien eine wichtige Bedeutung. Zink ist neben der Aufrechterhaltung der optimalen Funktion von antioxidativen Enzymen wie Superperoxid Dismutase wichtig für die Beweglichkeit der Spermien und deren normale Morphologie. Die Einnahme von Zink führt zu einer besseren Spermienkonzentration, besseren Beweglichkeit und verringert verschiedene für die Spemien schädliche Substanzen (22). In Kombination von Folsäure kam es zu einer verbesserten Spermienqualiät. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass eine erhöhte Zufuhr von Zink zu einer erhöhtem ROS-Level führen kann.

9. Coenzym Q-10
Coenzym Q-10 ist im Mittelteil der Spermien nachweisbar. Untersuchungen im Reagenzglas konnten zeigen, dass bei der Inkubation von Spermien von infertilen Männer mit Coenzym Q-10 die Beweglichkeit dieser Spermien deutlich zunahm (23).

Zusammenfassung und Beurteilung
Männer mit Fruchtbarkeitsstörungen, die eine hohe Konzentration von ROS in der Samenflüssigkeit aufweisen, profitieren möglicherweise von der Einnahme von Antioxidantien zur Verbesserung ihrer Spermienqualität. Der laborchemische Nachweis von erhöhten ROS im Sperma gestaltet sich jedoch schwierig und hat noch nicht Eingang in die Routinediagnostik gefunden (siehe WHO Handbuch 2010; S. 142-143). Zu Bedenken ist auch, dass es sich bei der männlichen Infertilität um ein multifaktorielles Geschehen handeln kann und dass eine gewisse geringe Konzentration von ROS für die Aufrechterhaltung der Funktionen der Spermien und der Befruchtung von Samen-und Eizelle notwendig ist. Vermutlich profitiert nur eine kleine Gruppe von infertilen Männer von der Einnahme von den oben beschriebenen Substanzen. Bei infertilen Männern, mit normalem Hormonstatus, halte ich halte dennoch einen Therapieversuch unter fachärztlicher Begleitung für gerechtfertigt. Eine Selbstmedikation ohne ärztliche Begleitung ist nicht vertretbar.

Dr. Michael Ehmann

Pirmasens, den 25.05.2011

 

Literaturhinweise:

1. Agarwak, Ashok, Lucky, H. Sekhon: the role of antioxidant therapy in the treatment of male infertility (12/2010): Human Fertility; 13: 217-225.

2. Nieschlag E., Behre, H. E., Nieschlag, S. Andrologie, 3. Auflage (2009): Seite 6

3. Aitken, R.J.& Clarkson,J.S. (1987). Cellular basis of defective sperm function and its association with the genesis of reactive oxygen species by human spermatozoa. Journal of Reproduction and Fertilitiy, 81, 459 – 469.

4. Aitken, R.J., Clarkson,J.S. & Fishel,S. (1989). Generation of reactive oxygen species, lipid peroxidation, and human sperm function. Biology of Reproduction, 41, 183 – 197.

5. Sharma, R. K. & Agarwal a. (1996). Role of reactive oxygen species in the male infertility. Urology, 48, 835 – 850.

6. Sikka, S. C. (2001). Relative impact of oxidative stress on male reproductive function. Current Medicinal Chemistry, 8, 851-862

7. Armand Zini, Maria San Gabriel, Abdulaziz Baazeem. Antioxidants and sperm DNA damage: a clinical perspective.J Assist Reprod Genet. 2009; 26:427-432

8. Jeulin,C., & Lewin, L.M. (1996). Role of free-carnitine and acetyl-l-carnitine in post-gonadal maturation of mammalian spermatozoa. Human Reproduction Update,2,87-102

9. Ross, C., Morriss, A., Khairy, M., Khalaf, Y., Braude, P., Coomarasamy, A. et al. (2010). A systematic review of the effect of oral antioxidants on male infertitity. Reproductive Biomedicine Online, 20, 711-723.

10. Lenzi , A., Sgro,P., Salacone, P., Paoli, D., Gilio, B., Lombardo, F., et al. (2004). A placebo-controlled double-blind randomized trial of the use of combined l-carnithine and l-acetyl-carnitine treatment in men with asthenozoospermia. Fertility and Sterility, 81, 1578 – 1584.

11. Abel, B.J.,Carswell, G., &Elton, R. (1983). Randomised trial of clomiphene citrate treatment and vitamin C for male infertility. Brithish Journal of Urology, 54, 780 – 784

12. Greco, E., Iacobelli, M., Rienzi, L., Ubaidi, F., Ferrero, S., & Tesarik, J. (2005). Reduction of the incidence of sperm DNA fragmentation by oral antioxidant treatment. Journal of Andrology , 21, 81 – 94.

13. Ursini, F., Heim, S., Kiess, M., Maiorino, M., Roveri, A., Wissing, J., et al. (1999). Dual function of the selenoprotein PHGHx during sperm maturation. Sience,285, 1393 – 1396.

14. Wallace, E., Calvin, H. J., Ploetz, K., & Cooper, G. W. (1987). Functional and developmental studies on the role of selenium in spermatogenesis. In Combs, G. F. Jr., Spallholz, J. E., Levander, O. A., Oldfield, J. E., (Eds), Selenium in biology and medicine, part A A. New York: AVI, p 181 – 196.

15. Kesker-Ammar, L., Feki Chacroun, N., Rebai, T., Sahnoun, Z., Ghozzi, H., Hammami, S., et al. (2003). Sperm oxidative stress and the effect of an oral vitamin E and selenium supplement on semen quality in infertile men. Archives of Andrology, 49, 83 – 94.

16. Comhaire, F. H., El Garem, Y., Mahmoud, A., Eertmans, F. & Schoonjans, F. (2005). Combined conventional antioxidant “Astaxanthin” treatment for male infertility: a double blind, randomized trial. Asian Journal of Andrology,7, 257 – 262

17. Gupta, N. P., & Kumar, R. (2002). Lycopene Therapy in idiopathic male infertility – a preliminary report. International Urology and Nephrology,34, 369 – 372.

18. Lenzi, A., Culasso, F., Gandini, L., Lombardo, F.,& Dondero, F. (1993). Placebo-controlled, double-blind, cros-over trial of glutathione therapy in male infertility. Human Reproduction, 8, 1657 – 1662.

19. Comhaire, F. H., Christophe, A. B., Zalata, A. A., Dhooge, W. S., Mahmoud, A. M., & Depuydt, C. E. (2000). The effects of combined conventional treatment, oral antioxidants and essential fatty acid on sperms biology in subfertile men. Prostaglandins Leukotrienes and Essential Fatty Acids, 6, 159 – 165.

20. Safarinejad, M. R., & Safarinejad, S. (2009). Efficacy of selenium and/or N–acetyl– cysteine for improving semen parameters in infertile men: a double-blind, placebo controlled, randomized study. Journal of Urology, 181, 741 – 751.

21. Okada, H., Tatsumi, N., Kanzaki, M., Fujisawa, M., Arakawa, S.,&Kamidono, S. !1997). Formation of reactive oxygen species by spermatozoa from asthenospermic patients: response to treatment with pentoxifylline. The Journal of Urology, 157, 2140 – 2146.

22. Omu, A.E., Al-Azemi, M. K., Kehinde, E. O., Anim, J. T., Oriowo, M. A., & Mathew, T. C. (2008). Indications of the mechanisms envolved in improved sperm parameters by zinc therapy. Msdical Priciples and Practice,17, 108 – 116.

23. Thomas , S. R., Neuzil, J., & Stocker, R. (1997). Inhibition of LDL oxidation by ubiquinol-10. A protective mechanism for coenzyme Q in athreogenesis? Molecular Aspects of Medicine, 18(Suppl), S85 – 103.



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