Gibt es Medikamente bzw. Wirkstoffe, die das Risiko an einem Prostatakrebs zu erkranken, reduzieren?



Der Gedanke der Vorbeugung gegen Prostatakrebs bewegt viele Männer. In den zurückliegenden Jahren gab es immer wieder Anhaltspunkte, die dafür sprachen, dass verschiedene Wirkstoffe eine Chemoprävention darstellen (1,2,3,4). Vor allem Selen und Vitamin E rückten hierbei in das Blickfeld. Es wurde deshalb im Jahr 2001 eine große prospektive Studie namens SELECT (Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial) (5) mit diesen antioxidativ wirkenden Substanzen angelegt. Diese Studie wurde aber 2008 vorzeitig beendet, nachdem sich in der Zwischenanalyse ergab, dass die alleinige Einnahme von Selen oder Vitamin E oder die Kombination von Selen und Vitamin E keinen Effekt auf die Prävention eines Prostatakarzinom hat. Es zeigte sich eher im Gegenteil, dass die Probanten im Studienarm „mit alleiniger Selen-Gabe“ ein erhöhtes Risiko hatten, an Diabetes mellitus zu erkranken und bei Probanten in Studienarm „mit alleiniger Vitamin E-Gabe“, ein leicht erhöhtes das Risiko hatten, an Prostatakrebs zu erkranken(6).

Im April 2010 wurden im “New England Journal of Medicine” dann die 4-Jahres-Daten der „Dutasteride of Prostate Cancer Event (REDUCE) – Studie“ (7) vorgestellt. Diese Studie ging wie die 2003 veröffentlichte Prostata Cancer Prevention Trial (PCPT) (8) der Frage nach, ob durch die regelmäßige Einnahme eines 5 – Alpha – Reduktase – Hemmers das Risiko an einem Prostata-Karzinom zu erkranken, gesenkt werden könne.

Bei den 5 – Alpha – Reduktase – Hemmer handelt es sich um die beiden Medikamente „Dutasterid“ und „Finasterid“, die zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung zugelassen sind und eingesetzt werden. Beide Medikamente hemmen in der Prostatazelle die Umwandlung von Testosteron in das biologisch aktivere Dihydrotestosteron. Unter der Therapie mit 5 – Alpha – Reduktase – Hemmer reduziert sich die Prostatagröße um ca. 25%.

In beiden Studien (REDUCE und PCPT) wurden jeweils zwei Gruppen von Männern gebildet. Die Probanden der sogenannten Verum-Gruppe bekamen das Medikament „Dutasterid“ in der REDUCE-Studie und „Finasterid“ in der PCPT-Studie. Die Probanden der Kontroll-Gruppen erhielten jeweils ein Placebopräparat.

Die Auswertung der Studien nach 4 Jahren (REDUCE) bzw. 7 Jahren (PCPT) ergab, dass bei denjenigen Männern, die einen 5 Alpha – Redukatase – Hemmer (also „Finasterid“ oder „Dutasterid“) erhalten hatten, das Risiko, an einem Prostatakrebs zu erkranken, um 23 % in der REDUCE-Studie und um 24% in der PCPT-Studie im Vergleich zu der jeweiligen Placebogruppe gesenkt werden konnte.

In der 2003 veröffentlichten PCPT-Studie mit dem Medikament „Finasterid“ wurde anfänglich beobachtet, dass zwar das Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken, bei denjenigen Männern reduziert war, die das Medikament „Finasterid“ erhielten, dass aber bei den Männern, die unter der Finasterid-Medikation an einem Prostatakarzinom erkrankten, ein signifikant größerer Anteil von aggressiven Prostatakarzinomen (Gleason 7 – 10) zu beobachten war. Eine 2007 durchgeführte Überprüfung dieser anfänglichen Ergebnisse kam allerdings zu dem Schluss, dass es sich bei der vermeintlichen Zunahme von aggressiven Prostatakarzinomen um ein statistisches Artefakt handelte (9).

In der REDUCE-Studie mit dem Medikament „Dutasterid“ kam es zu keinem Anstieg von Hochrisikokarzinomen.

Die US – Fachgesellschaften der „American Society of Clinical Oncology“ und die „American Urological Association“ veröffentlichten im April 2009 im „Journal of Urology“ die Empfehlung, dass 5 – alpha – Reduktase –Hemmer als eine Primärprävention gegen das Prostatakarzinom anzusehen sind (10). Dieser Empfehlung sind jedoch enge Grenzen gesetzt und beziehen sich auf asymptomatische Männer mit einem PSA-Wert von 3 und niedriger und die bereit sind, sich einer jährlichen Überprüfung zu unterziehen.

Zusammenfassung und Fazit:

Viele Patienten fragen immer wieder nach der Möglichkeit einer Vorbeugung gegen den Prostatakrebs. Die anfänglich mit Enthusiasmus aufgenommen Ergebnisse der Radikalenfänger Selen und/oder Vitamin E erfuhren durch den Studienabbruch der SELECT-Studie im Jahr 2008 einen herben Rückschlag.

Daneben wurden die beiden bekannten 5- alpha- Reduktase-Hemmer („Finasterid und Dutasterid) untersucht. Bei beiden Medikamenten konnte eine Chemoprävention gegen das Prostatakarzinom in Studien nachgewiesen werden. Dies führte sogar so weit, dass die Fachgesellschaften der „American Society of Clinical Oncology“ und die „American Urological Association“ eine Empfehlung veröffentlichten, 5 – alpha – Reduktase –Hemmer als eine Primärprävention gegen das Prostatakarzinom anzusehen.

Berücksichtigt werden muss jedoch bei der Einnahme von 5 – alpha – Reduktase – Hemmern, dass diese zu Erektionsstörungen (in 9% der Fälle), Libido Verlust (1,3% der Fälle) und Gynäkomastie (1,9%der Fälle) führen können7. Weiterhin ist auch zu bedenken, dass nur eine Minderheit der Männer von der Einnahme profitieren würden, die Mehrzahl der Männer ein Medikament einnehmen würden, dessen sie nicht bedürften. So gesehen ist die Gruppe der Männer, die von der Einnahme profitieren eingeschränkt und sollte sich vor allem auf die Gruppe derjenigen Männer konzentrieren, die eine familiäre Belastung aufweisen, bei denen ein erhöhter PSA-Werte nachgewiesen und in den Prostatastanzbiopsien kein Prostatakarzinom nachgewiesen wurde. Von einer großflächigen Chemoprävention würde ich im Moment abraten und empfehlen, das individuelle Gespräch mit dem Urologen zu suchen.

Quellen:

(1) Gionvannucci, E.: „Tomatoes, tomato-based products, lycopene, and cancer: review of the epidemiological literature“.

J. Natl. Cancer Inst. 1999;91:317–331

(2) Giovannucci, E, Clinton SK. Tomatoes, lycopene, and prostate cancer“. Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 1998; 218:129–139.

(3) The effect of vitamin E and beta carotene on the incidence of lung cancer and other cancers in male smokers. The Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention Study Group.NEJM 1994;330:1029 – 35

(4) Clark LC, Combs GF Jr, Turnbull BW, Slate EH, Chalker DK, Chow J, Davis LS, Glover RA, Graham GF, Gross EG, Krongrad A, Lesher JL Jr, Park HK, Sanders BB Jr, Smith CLL, Taylor JRR..: Effects of selenium supplementation for cancer prevention in patients with carcinoma of the skin. A randomized controlled trial. Nutritional Prevention of Cancer Study Group.JAMA 1996;276: 1957 – 63

(5) Scott M. Lippman, Phyllis J. Goodman, Eric A. Klein et al. Designing the Selenium and Vitamin E Cancer Prevention. JNCI J Natl. Cancer Inst., Volume 97, Issue Pg. 94 – 102

(6) Ärzteblatt de vom 29.10.2008: Studie gestoppt: Vitamin E und Selen mit potenziellen Risiken in der Prävention des Prostatakarzinoms

(7) Andriole,Gerald L. M.D.;Bostwick,David G. M.D.; Blawley ,Otis W.M.D. et al.: Effect of Dutasteride on the Risk of Prostate Cancer;. N. Engl J Med 2010; 362 (13): 1192 – 1202

(8) Thompson IM, Goodman PJ, Tangen CM, et al. The influence of finasteride on the development of prostate cancer. N. Engl. J Med. 2003;349:215-224.

(9) Cohen YC, Liu KS, Heyden NL, et al.: Detection bias due to the effect of finasteride on prostate volumen : a modeling approach for analysis of the Prostate Cancer Prevention Trial. J Natl Cancer Inst 2007;99;1366-74

10. Barnett S. Kramer, Karn L. Hagerty, Stewart Justmann et al. Use of 5- alpha – Reductase Inhibitors for Prostate Cancer Chemoprevention: American Society of Clinical Oncology/American Urological Association 2008 Clinical Practice Guideline; Journal of Urology, Vol. 181, 1642 – 1657, April 2009

 



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